Weil DU es bist

Nichts geht über einen handgeschriebenen Brief!

Diese ganze elektronische Flut an permanent reproduzierbaren, minderwertigen Texten, all das hundert und tausend mal geteilte Zeugs, schnell zusammengestauchtes, leicht verständliches, aber ohne Verstand getipptes Satzmehl, nie fehlerfrei, mit einem Wortschatz von Fünftklässlern und einer Halbwertzeit eines lauwarmen Schlucks Bier. All dieser literarische Schrott, an den sich schon morgen keiner mehr erinnern kann, weil er keinerlei Substanz hat, ein paar aus nichts anderem als Habgier, Not oder purer Dummheit ausgepresste und schon wieder für immer vergessene, tausendfach kopierte Zeilen ohne Sinn und Verstand. Eine Fanfare von gigantischem, geistigem Dünnschiss verschlammt unsere Sinne und führt uns einem Massengrab von Dumpfbacken zu, deren einzige Helden die Meister der Umverteilung dieses grottenschlechten Kauderwelschs sind, weil laut blöken immer noch am leichtesten ist und obendrein auch noch belohnt wird. Doppeldaumenhoch! Ihre Laute sind nie stark, bestenfalls lautstark, doch betäubt vom Lärm und meisterhaft darin geübt, jede Belästigung mit der Nonchalance von Zweijährigen in den Skat zu drücken, tun wir so, als ob wir es lesen, doch selbst das haben wir verlernt, sonst würde uns die natürlichste Reaktion auf diesen Augenkrebs dazu verleiten, unentwegt zu reihern, doch wer will das schon; den ganzen Tag kotzen?

Nichts davon ist auch nur eine einzige Sekunde Aufmerksamkeit wert.

Wie lange ist es her, dass dich ein handgeschriebener Brief erreicht hat? Einer, der noch bevor der Satz, den du gerade zu lesen begonnen hast, bis zum Ende gedacht wurde? Vielleicht sogar einer, der in Länge, Sinnhaftigkeit und Wortwahl eine Einheit bildet? Wir alle haben uns so sehr daran gewöhnt, in schnellen Emails zu kommunizieren und sie sind nur so gespickt mit Floskeln, aneinander gereihten Satzfetzen, die auf Lager liegen und je nach Notwendigkeit aus ihren Fächern gezogen werden. Und nie das Äquivalent zu "Einen schönen Tag noch" vergessen! Niemals! Liebe Grüße! Immer grüßen und zwar lieb! Nie vergessen! Gerne auch nur "LG" tippen, aber nie, nie vergessen! Das Credo heißt: Schreibe nie mehr als notwendig. Denn Du musst verdammt viel von diesem flüchtigen Zeugs am Tag produzieren. Und wir haben doch keine Zeit. Wir haben niemals Zeit. Um Himmels Willen! Woher nur die Zeit nehmen, deren Sklave wir erst durch die Reproduktion des Ausflusses geistiger Flachpfeifen wurden? 

Es wird keine zwanzig Jahre mehr dauern, bis es Spezialisten für das geschriebene Wort, und wenn ich das schreibe, meine ich das handgeschriebene, durchdachte Wort, geben wird. So wie die Dinge liegen, wird es eine hochspezialisierte Kunst sein, einen handgeschriebenen Brief zu Papier zu bringen. Einen, in dem eine wohlfeile Anrede, ein Datum, eine überlegte Schlussformel und eine ausgeschriebene Unterschrift nicht fehlen. Einen, der von Anfang bis zum Ende nicht nur einen haptischen und optischen Eindruck hinterlässt, sondern der dazwischen auch noch wohl dosiert mit Sätzen ist, die schon bevor sie das Papier erreichten, im Wesen und Geist des Autors existierten, die er zu Papier bringen wollte, vielleicht sogar musste, und allein schon durch den Vorgang des Niederschreibens in ihrer Stärke und Wirkung den kraftvollen Eindruck hinterlassen, für den sie formuliert wurden. Einen, der einem Leitfaden folgend sinnbildlich verdeutlicht, woran der Absender den Empfänger teilhaben lassen möchte. Einen, der Leidenschaft, Kraft und Willen zum Ausdruck bringt, vielleicht sogar einen aus der Königsdisziplin der handgeschriebenen Wortkunst, der Liebe, Lust und Herzenswunsch dorthin bringt, wo sie hingehören; einen Liebesbrief. Denn nichts drückt zwischenmenschliche Empfindungen in solcher Intensität und Inbrunst aus, wie ein handgeschriebener Liebesbrief, nichts ist wahrhaftiger, nichts ehrlicher und wertvoller und wichtiger.

Stattdessen schreiben sich die Kids Belangloses in Short Messages mit Internetlinks auf wiederum von Dritten produzierten Schwachsinn und wundern sich, warum das schon alles war, da muss doch noch mehr sein, also wird noch mehr davon verteilt, aber sie gewöhnen sich dran, wie sie sich an alles gewöhnen, wie sie sich daran gewöhnt haben, als Smombie durch die Welt zu ziehen, um Blödsinn zu kopieren, ja kopieren zu müssen, denn die Sehnsucht währt ewig und die Hoffnung stirbt zuletzt. Also wenn du das große Glück und die Ehre haben solltest, einen schönen, liebevollen, ehrlichen und handwerklich meisterhaften, handgeschriebenen Brief zu erhalten, dann sei dankbar dafür, dass Du einen Menschen getroffen hast, der diese Kunst wertschätzt und sie dir zuteil werden lässt. Es könnte schon morgen der Letzte seiner Art sein.

 

 

 

 

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4 Kommentare

  1. Gelesen am 18.12.17 im Z.Cafe

  2. Gelesen am salonabend Thomas am 3.11.17

  3. Gelesen am 18.09. im Café Cralle, Text 4

  4. Gelesen am 25.08. in Zimmer 16, Pankow, Text 1

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