DAS wird man ja wohl noch sagen dürfen!

Drei oder vier mal Jugend-Zeltlager mit Vierzehn. Jedes Mal das Gleiche. Anfangs kommt man mit Schlafsack und Tasche auf der Wiese an, setzt sich und Wer bist Du und Was machst Du am liebsten und Welche Musik hörst Du? Das war überhaupt immer am Wichtigsten. Wie definierst Du Dich über das, was Du hörst? Und wenn das Mädchen süß war und die Jungs gerade nicht zuhörten, sagte man Simon & Garfunkel oder John Lennon. Und wenn noch keine Mädchen da waren, sagte man Deep Purple oder Led Zeppelin. Es war mehr ein Ritual, als ein Bekenntnis. Hauptsache ein Statement, das akzeptabel war. Aber der absolute Knaller war, egal welche Musik man hörte, wenn einer sagte: Ich spiele Gitarre! Das Zauberwort! Er spielt ein Instrument! Und es war immer ein Typ! Kein Mädchen hatte eine Gitarre. Und damit war es vorbei mit den Mädchen, die ich gerne geküsst hätte. Wenn jemand Gitarre spielte, wusste ich: Game over!

Abends beim Lagerfeuer saßen wir schweigend zusammen auf Holzklötzen, schauten in die Glut, spürten die Hitze des Feuers und sahen dem brennenden Holz und den springenden Funken zu, wie sie umher tanzten. Von den Jungs war keiner mutig genug, mit den Mädchen zu reden, denn die anderen Jungs hörten ja zu. Bis jemand zum Gitarristen sagte Spiel doch mal was und Du hast doch eine Gitarre und ach ja, schau an, da steht sie ja. Die Mädels sahen wie gebannt auf seine Finger, wie er damit diese Töne aus dem Holzteil zupfte. Und wenn er gut war, dann konnte er dazu singen und wenn er noch besser war, begann er mit „Imagine“ und alle hingen sie an seinen Lippen. Jedes einzelne Mal saß ich da und dachte: Das willst Du auch! Also sparte ich auf eine Gitarre, aber weil ich das Geld nicht zusammen kriegte, bekam ich eine Gebrauchte zum Geburtstag und obendrein noch Gitarrenstunden bei einer 60-jährigen argentinischen Madrone, die versuchte, mir klassische Konzert-Gitarre beizubringen, während ich eigentlich nur wie John Lennon spielen wollte und auf ihre Brüste starrte. Es war einfach sinnlos.

Viele Lagerfeuer, Konzerte und Jahre später, saß ich in Casablanca nach dem Abendessen in der Hotel-Lobby und begann gerade damit, mich mit der Urlaubsbekanntschaft zu beschäftigen, die sich auf der Couch gegenüber niederließ. Wir hatten beide einen sitzen, weil wir vor und nach dem Essen Sunrise-Cocktails mit reichlich Tequila tranken und wir waren gut dabei, uns gerade so richtig heiß zu reden, als einer aufstand und sich ans Klavier setzte. Erst klimperte er nur so rum, aber ich merkte schnell, wie ich sie langsam an den Pianisten verlor. Und als er so richtig los legte, war es zu spät, aber ich sagte trotzdem, Lass uns an die Theke gehen und sie sagte Später und er zeigte was er drauf hatte und sie sah ihm zu, wie seine Finger über die Tastatur hoch und runter glitten, wie sie hin und her schwebten und diese Klänge da raus brachten. Er spielte dieses ganze Eastcoast Ratpack-Zeugs hoch und runter und alle rundum hörten zu, keiner sagte noch irgendwas und als er später endlich genug davon hatte, war sie wie im Nirwana von ihm verzaubert und ich hing betrunken an meinem vierten Sunrise.

Der Typ am Lagerfeuer damals musste sich keine Gedanken drum machen, wie er die Süße gegenüber ansprechen soll. Er wartete einfach nur darauf, dass jemand sagte Spiel doch mal was und natürlich sagte jemand irgendwann Spiel doch mal was und dann spielte er was. Er musste sich nicht langsam ranpirschen und den Girls was erzählen, damit er für sie interessant wurde. Er musste einfach nur singen und dazu Musik machen und um Mitternacht wollten ihn alle und träumten davon, wie er ihnen mit seiner Klampfe beim Kerzenlicht im Zelt was vorsingt, bevor sie sich um den Verstand knutschen. Und der Typ in der Hotel-Lobby musste sich auch keine drei Tequila Mut antrinken, um irgendwen davon zu überzeugen, was er drauf hatte. Er musste einfach nur Musik machen und er musste dafür nicht mal was von Nat King Cole oder Miles Davies spielen, sondern machte einen auf Frank Sinatra. Lauter dämliches Zeugs, dass sie aus dem Radio kannten. „Strangers in the night…“. Fahrstuhlmusik. Aber sie flogen auf ihn und träumten mit offenen Augen davon, wie dieser Typ auf ihnen Klavier spielen würde oder wie sie sich in einem Abendkleid elegant auf den Flügel setzen und dem Lied lauschen, dass er nur für sie schrieb.

Verdammt noch mal!

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Ein Kommentar

  1. Danke für die Blumen

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