Über die Fügung (1)

Ja, ich kenne die Geschichten, nach denen jemand zufällig an einem Ort ist, an dem ein Anderer auf ihn wartet. Ich hörte davon, dass es Vorhersehung sei, wenn zwei den gleichen Zug besteigen und sich auch nach der Reise ihren Platz miteinander teilen. Und es erzählte mir jemand, dass er sich seinen Partner so sehr wünschte, dass dem gar nichts anderes übrig blieb, als plötzlich zu erscheinen. Aber unter uns Pfarrerstöchtern: Das ist Bullshit. Das Leben spielt uns in die Hände, was zufällig über den Weg läuft und manchmal klappt das ganz gut, aber meistens eben nicht. Ich meine, ich brauche mich doch bloß umzusehen, wie es den Menschen links und rechts von mir so geht. Von denen hat keiner nach dem Vorbild unserer Omas fünfzig Jahre durchgehalten und hinterher mit Stolz erzählt, dass das alles goldrichtig so war. Du kannst den Alten zuhören und glauben, was sie erzählen, aber es kommt nicht darauf an, was sie erzählen, sondern was Du glaubst. Und das ist auch schon alles.

In meiner Schulzeit war zum Beispiel dieses Mädchen, das eine seltsame Anziehung auf mich hatte und weil ich noch jung war und jeden Scheiß glaubte, dachte ich tatsächlich, dass wir uns lieben. Sie sagte es ja auch ständig. Wir trafen uns heimlich nach der Schule in ihrem Zimmer, wenn sie alleine zuhause war. Sie war zwei Jahre älter, weil sie zwei Mal “sitzen blieb” und ständig sagte sie mir, niemand dürfe das mit uns wissen, niemand in der Schule und am wenigsten ihre Mutter. Die würde sie nämlich dafür grün und blau schlagen. Ich sah sie auch nie, diese mysteriöse Hexe, aber ich kannte ihr Schlafzimmer. Denn mein Mädchen wollte unbedingt, dass wir es im Bett Ihrer Mutter machen. Das war ihr sehr wichtig. Sie küsste fantastisch und jedes Mal, wenn wir so richtig loslegten, zog sie mich in dieses Schlafzimmer. Es war mir egal, so lange ich an ihr rumspielen durfte und weil sie weiter ging, als alle anderen zuvor. Aber es brachte mich jedes Mal runter, wenn sie davon redete, Kinder zu machen. Ich war Vierzehn. Ich wusste nicht mal, wie man Spaghetti kocht. Und eines Tages sah uns einer von den Lehrern, wie wir in unserem Versteck knutschten und der steckte mir dann, dass ich verdammt vorsichtig sein sollte. Sie habe eindeutig einen an der Klatsche und falls sie mir erzählen sollte, dass ihre Mutter sie schlägt, dann solle ich darüber nachdenken, ob sie sich das nicht selbst antut.

Da bekam ich es mit der Angst zu tun und sagte ihr, dass wir uns nicht mehr treffen können, weil meine Mutter es spitz gekriegt hat. Das schien mir eine passende Ausrede. Aber ich hatte die Rechnung ohne Wonderwoman gemacht, weil sie von nun an damit anfing, mir mit Selbstmord zu drohen, wenn ich nicht zurück in das Schlafzimmer ihrer Mutter käme. Ständig bekam ich irgendwelche Briefe, in denen stand, was sie sich alles antun würde. Anfangs machte mir das schwer zu schaffen, aber dann gewöhnte ich mich dran und irgendwann hörte dieser Terror einfach auf, von heute auf morgen. Etwa genau zur gleichen Zeit, als sie einen anderen ins Gebüsch zog. Was ich damit sagen will, ist; es ist eine verdammte Fügung was Dir im Leben mit den Weibern und den Kerlen so passiert. Wenn ich sie mit Vierzehn geschwängert hätte, wäre mein ganzes Leben anders verlaufen, wobei ich nicht mal darauf schwören würde, dass es unbedingt schlechter verlaufen wäre. Eben nur komplett anders. Und auf diese Art und Weise denke ich mein ganzes Liebesleben darüber nach, was eigentlich so alles gekommen wäre, wenn auch nur eine meiner Frauen ein Kind zur Welt gebracht hätte. Ich bin nicht glücklich oder unglücklich darüber, ich sage bloß, es ist eine Frage des Schicksals und das kann es gut oder eben übel mit Dir meinen.

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