Über die Fügung (2)

Es waren sechzehn Mädchen in der Klasse meiner Berufsschule – und ich. Ratet mal, wen sie zum Klassensprecher machten. Einige hatten einen festen Freund und drei oder vier von denen, die einen festen Freund hatten, hatten auch einen Plan. „Ich heirate mit 19 – und dann wollen wir ein Kind“, sagte eines der Mädchen. Und ein anderes sagte: „Wir ziehen jetzt zusammen und wenn mein Freund mit dem Studium durch ist, dann bleibe ich zuhause“. Und das Dorfmädchen, das ihren Auserwählten schon kannte, seit sie 14 war, wollte bis zur Hochzeitsnacht unbedingt Jungfrau bleiben. „Und dann wollen wir einen Jungen und ein Mädchen“. Und das war nicht in den Neunzehn-Fünfzigern, es waren die Achtziger! Jedes Mal, wenn ich eine von den dreien alleine traf, fragte ich sie „Bist Du total bescheuert?“. Worauf sie mich jedes Mal anschauten, als ob sie überhaupt nicht wüssten, was ich ihnen sagen will. Aber auch wenn ich mein Bestes gab, ich konnte sie einfach nicht davon abbringen. Ich schätze, sie zogen es konsequent durch. Ich mache mir oft Gedanken über die Fügung. Was wäre wenn und warum wurde es ausgerechnet so wie es war?

Zum Beispiel traf ich auf Betty während des Zivildienstes im Krankenhaus. Sie lernte auf Krankengymnastin und als ich zufällig am großen Fensterglas beim Stationszimmer vorbeikam, beugte sie sich über ihre Pläne. Ich konnte sie nur von hinten sehen, weil sie ein riesiges Blatt vor sich ausrollte, in dem sie offensichtlich etwas in den Zeilen ganz oben suchte. Und als sie so weit über das Pult gebeugt ihre Pläne las, schob sich ihre Bluse weit nach oben und ihr wunderbarer, sagenhaft runder Arsch zeichnete sich in seiner ganzen Pracht durch die weiße Kluft dermaßen deutlich ab, dass ich an nichts mehr anderes dachte, als an diesen Arsch. Ich dachte nach Feierabend noch dran, abends während des Kochens, nachts träumte ich davon und morgens fiel er mir als Allererstes wieder ein. Ich musste diesen Arsch einfach wiedersehen. Also streunte ich um die gleiche Uhrzeit den Gang auf und ab, wie ein hungriges Wiesel im Zoo immer am Stationszimmer vorbei und als sie ihre Pläne ausbreitete, blieb ich vor dem Fenster stehen und starrte hin, so lange es ging. Dann schloss ich die Augen und brannte mir den Blick auf meine Festplatte.

Beim Sex schrie sie immer so laut, dass es mir ein bisschen peinlich war. Entweder im Wohnheim, wo es die ganze Etage hören konnte oder in meiner winzigen Butze, wo die Wände so dünn waren, dass ich den Alkoholiker nebenan hören konnte, wie er Zoten mit seinen Kumpels riss – und er uns natürlich auch. Manchmal hörten wir, wie er nachts durchs Zimmer stapfte und dabei eine Reihe von Flaschen klirrend zu Boden stieß. Dann fluchte er jedes Mal. Und einmal hatte er zwei oder drei andere Säufer bei sich und als wir es trieben und damit fertig waren, johlten und grölten sie von drüben rüber und applaudierten was das Zeug hielt. Jedenfalls; ich fragte sie nur ein einziges Mal, ob sie die Pille nahm und Kondome kamen für uns beide nicht in Frage, aber ob sie das Zeugs wirklich nahm oder sich insgeheim Kinder wünschte, so wie meine Mädels in der Berufsschule damals, das wusste ich einfach nicht. Wir redeten nicht drüber bis zu dem Tag, als sie mir ihre Eltern vorstellte.

Dazu fuhren wir ins Epizentrum des schwäbischen Way of Life, nach Böblingen. Ihre Eltern wohnten dort in einem schicken, großen Häusle, vor dem ein Mercedes und zwei weitere Autos parkten. Betty zwang mich damals zu einem Blumenstrauß und einer Packung Mon Cheri. Alles an dieser ganzen Szenerie, inklusive dieser spießigen Förmlichkeiten und der Befragung des potentiellen Bräutigams, was ich ihrer braven Tochter so zu bieten hatte, roch nach dem Muff von mindestens drei Generationen gefüllter Maultaschen und selbstgemachten Spätzle. Da wurde mir schlagartig klar, dass ich in einer verdammt gefährlichen Situation war und sie sofort heiraten müsste, wenn sie schwanger werden sollte. Und tatsächlich erzählte sie mir noch am gleichen Abend, dass sie die Pille schon zwei oder drei Mal vergessen hatte, aber das mache ihr ja nichts, weil sie sich gut vorstellen könne, bald selbst eine Mama zu sein. Da bekam ich es mit der Angst zu tun und kurze Zeit später war es vorbei mit dem Stöhnen und dem Schreien in der Nacht, was die Säufer nebenan sehr bedauerten. Ich konnte es mir einfach nicht mehr vorstellen, weil mir eine Zukunft drohte, in der ich mich auf mindestens zwanzig Jahre verpflichtet hätte.

Was ich damit sagen will, ist; es ist eine verdammte Fügung was Dir im Leben mit den Weibern und den Kerlen so passiert. Wenn ich sie geschwängert hätte, wäre ich bei ihr geblieben und mein ganzes Leben hätte eine komplett andere Richtung eingeschlagen. Wobei ich nicht mal darauf schwören würde, dass es unbedingt schlechter verlaufen wäre. Eben nur ganz anders. Und auf diese Art und Weise denke ich schon mein ganzes Liebesleben darüber nach, was eigentlich so alles auf mich zugekommen wäre, wenn auch nur eine meiner Frauen ein Kind zur Welt gebracht hätte. Ich bin nicht glücklich oder unglücklich darüber, ich sage bloß, es ist eine Frage des Schicksals und das kann es gut oder eben übel mit Dir meinen.
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