Gott ist tot!

Es war an einem Sonntagmorgen, um
Viertelvorzehn, als es an der Tür klingelte
und ich dachte, oh nein, denn ich war
gerade erst eingeschlafen, nach einer
Zehnstundenschicht in der Fabrik, doch
ich ahnte, dass es diese Verrückten mit
ihren Gebetbüchern und Wachtürmen
sind, die immer um diese Zeit kamen, um
mich zu bekehren und sie ließen nicht
locker, also musste ich ihnen ein für allemal
klar machen, dass es hier nichts zu holen
gibt und schälte mich raus, nachdem es
nochmal klingelte und an die Tür klopfte.

Ich wusste noch nicht, wie ich sie los
werde, hundemüde und scheiße gelaunt
schleppte ich mich zur Eingangstür und
als ich ihnen in nichts weiter als meiner
Unterhose öffnete, standen sie da zu zweit, als
ob sie den ganzen Tag dort auf mich warteten,
glatt wie die Aale im Anzug und blütenweißen
Hemden und ich verwette meinen Arsch darauf,
dass ihre Unterhosen noch niemals Bremsspuren
sahen oder ihre Socken nach was anderem
rochen als Blumenwiese oder ihre Hände
was anderes anfassten als Papier und ihr Atem
duftete nach frisch gepflückter Minze!

"Wir möchten mit Ihnen über Gott reden",
sagte der Lange und der Kurze leuchtete
dazu fröhlich mit den Augen, als ob sie mir
gerade verkündeten, dass ich von nun an
nie mehr in diese verfluchte Hölle zurück
müsste, in der es nach Öl stank und uns
Schwielen an den Händen wuchsen, weil
die verschissenen Metallgehäuse schwer
wie die Kartoffelsäcke waren und das Band
niemals still stand, wo wir am Ende der
Schicht vor Erschöpfung nicht mehr stehen
konnten und wir uns wünschten, dass morgen,
schon morgen alles nicht mehr wahr ist.

Kurz nach dem Wachwerden hatte ich
eine Stimme wie Bud Spencer und
genau so sah ich sie auch an, ich fixierte
sie mit festem Blick und erkannte sofort,
dass mir mein Auftritt gehörigen Respekt
verschaffte, das nutzte ich schamlos aus
und rief mit fester Stimme und der
Überzeugung eines Wahnsinnigen direkt
in die Augen der Ehrfürchtigen aus: GOTT!
IST! TOT! ER STARB AN EINEM SONNIGEN
NACHMITTAG IM HERBST 1977 AUF EINER
PARKBANK IN NEUKÖLLN! UND IHR SEID
DIE EINZIGEN, DIE DAS NICHT WISSEN!

Keine Ahnung, warum mir das einfiel, aber
es zeigte augenblicklich Wirkung, denn sie
sahen mich fassungslos an und froren auf
der Stelle vor meiner Wohnungstür zu
bewegungsunfähigen, starren Säulen und ich
erkannte die Chance, die Tür ohne Widerspruch
wie in Zeit-Lupe, ruhig, besonnen, aber entschlossen
zu schließen, sperrte von innen dreifach zu, hängte
die Sperrkette vor, schlurfte auf dem Weg zurück
ins Schlafzimmer an der Weinflasche vorbei, nahm
einen kräftigen Schluck vom Roten, legte mich
wieder hin und schlief nur Sekunden später wieder ein.

Mission erfüllt. Ich sah die Jungs nie wieder.

 

 

 

 

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2 Kommentare

  1. Gelesen am salonabend Thomas am 3.11.17

  2. Gelesen am 9.10.17 im Café Cralle, Text Nr. 1

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