Aus dem Weg – Ihr Langweiler!

Wenn mich nicht alles täuscht, war ich so um die drei Jahre alt, als ich mich auf die Zehenspitzen stellte und den heißen Milchtopf vom Gasherd zog, als sei es das Selbstverständlichste auf dieser Welt. Es war mächtig was los, aber ich hatte mir nur die Arme verbrannt. An den Schmerz erinnere ich mich nicht, nur daran, dass ich plötzlich voll die Nummer Eins war und sich alle um mich kümmerten. Das gefiel mir. Aber am nächsten Tag war schon anderes wieder wichtiger.

Zwei Wochen später machte ich es aber richtig. Meine Alten und ich, wir wohnten zu dritt in einem Zimmer und so blieb am Sonntagmorgen nur die Küche als Spielplatz, weil die anderen zwei mit sich selbst beschäftigt waren. Ich fand einundzwanzig rosa Bonbons auf dem Küchentisch in einer seltsam lustigen Verpackung und verdrückte sie eins nach dem anderen, nachdem ich sie aus dem knisternden Silber rausgepuhlt hatte. Mit jedem neuen Bonbon schmeckten die immer besser. Sie merkten es erst nach zwei Stunden, aber da war es schon zu spät.

Dafür durfte ich zum ersten Mal mit einem Taxi fahren und wir bretterten mit Vollgas Richtung Krankenhaus. Der Contergan-Skandal kam damals gerade so richtig ins Rollen und es schien eine Frage auf Leben und Tod, aber mein Bauch fühlte sich soweit ganz gut an – so oft sie mich auch fragten. Der Fahrer fuhr Slalom und hupte sich den Weg frei. Das war ’ne echt heiße Nummer und insgeheim feuerte ich den Typ mit funkelnden Augen vom Rücksitz aus an. Ich fühlte mich wie Cassius Clay auf dem Weg zum nächsten Fight.

Alles lief rund bis zu dem Moment, wo ich den Mund aufsperren sollte und mir ein Typ im weißen Kittel einen Schlauch in den Hals rammte und das brachte mich voll runter. Ich würgte das ganze Zeugs wieder von tief unten durch die Speiseröhre raus und die Dinger flogen nur so in hohem Bogen durch den Saal. Als die Tortur dann endlich vorbei war und er den Schlauch wieder rauszog, suchten sie sich die Pillen vom Boden zusammen wie Kleingeld und fanden immerhin noch siebzehn Stück. Vier davon tun also bis heute ihre Wirkung.

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