Life on Mars!

Wie konnte man nur so ne 100%ige versemmeln?!

Halbzeit-Pause. Ich drehte die Glotze ab und begab mich auf die Suche nach einem Flaschenöffner Ich zog am Griff der Schublade, fand den Öffner und betrachtete den Transistor eine ganze Weile, der daneben lag. Hallo, dachte ich. Lange nicht gesehen, dachte ich. Ich kramte den Rest in der Schublade frei und zog das Teil raus, entstaubte es erst mit der linken, dann mit der rechten und betrachtete mir die Knöpfe und die UKW-Skala. Zwei Drehregler, eine Skala, ein Lautsprecher. Klare Sache. Dem Aussehen nach zu urteilen, musste es seit mindestens zehn Jahren zwischen Teelichtern, Büroklammern, Packbändern, einer nicht näher definierbaren Fitnesskugel, zwei Taschenmessern, unnützem Nähzeug, einer kleinen Knopfsammlung, drei unscharfen Scheren und mehreren, nicht funktionierenden Feuerzeugen (falls mal mehrere vorbei kommen, die nicht rauchen wollen) rumgelegen haben. Keine Ahnung, warum ich es mal dort reinpackte.

Ich öffnete das Batteriefach und legte Batterien ein, die ich ebenfalls in der Schublade gebunkert hatte. Das Radio knarzte und war einverstanden. Also gut, dachte ich: Lass mal hören was du drauf hast. Ich drehte das Rauschen weg und kam gut rein. Schon die erste Station brachte mir das gute alte 'Not fade away'. Einwandfreier Empfang. Sauberer Klang. Was für eine Schande, dachte ich. Während ich die guten alten Stones hörte, dachte ich daran, dass ich die guten alten Stones hätte hören können, während ich in der Badewanne saß und an die guten alten Stones dachte. "My love a-bigger than a cadillac" tönte es satt über Richards' Fender. I try to show it and you drive a-me back. Cool, dachte ich. That's what I like. Ich hörte es mir eine Weile an. Dann drehte ich mich zur Couch und setzte es auf den Tisch vor mir. Selbst aus der Ferne sah es echt aus. Das Bassfell war ausgebleicht, aber es machte Eindruck, wie es da stand und Jones' Mundharmonika über den Teppich stackern ließ. Die zwei Knöpfe waren groß und rund und sichtbar und machten einem klar, dass es nicht mehr brauchte als zwei große, runde und sichtbare Knöpfe.

"Tackatackatackadatackadatack" schlug ich die gute alte Knietrommel, während der Klassiker Richtung Finale waberte… dann setzte der DJ die einzigartige Gitarre von Mark Knopfler drüber. He sticks to his guns; He takes the road as it comes; setzten die News ein. "Was für ein Stück"! rief ich aus, als ob mich hätte jemand hören können. „Unschlagbar“, unterstrich ich lautstark. Ich nickte anerkennend in die Runde, als ob mich hätte jemand sehen können. Pick Withers streichelte die Drums und ich sang lautstark mit: His motor is fine; He take it over the line; Until he's ready to dive. Bockstarkes Stück! rief ich zu niemand. Dann einer der besten und gefühlvollsten Übergänge, die ein gefühlvoller DJ zu setzen weiß. Zum Ende prägte sich langsam erhebend über die Drums eine Stimme, die aus dem Background heraus gleichsam zart, dramatisch und eindringlich anhob. Und das kam mir jetzt schon ein bisschen komisch vor.

Drei der besten Rocksongs aller Zeiten nacheinander und zwar welche, die man nicht alle Tage hört. Musste ein verdammt guter Sender sein. Warum kannte ich ihn dann nicht? Ich verbrachte den Rest von LIFE ON MARS ungeduldig darauf wartend, was der Transistor wohl als nächstes auswerfen würde. Sehr unwahrscheinlich, dass der DJ bloß nen guten Geschmack hatte. Machen die überhaupt noch was mit echten Leuten, die echte Platten auflegen? Und überhaupt. War der Sound nur deswegen faszinierend, weil es nach den originalen schwarzen Scheiben klang? Keine Frage: Der Sound kam direkt von der Rille. Ich konnte das Knistern raushören. Ein Hammerstück nach dem anderen. Auf Vinyl? Im Radio?? Ich ließ den Gedanken durch die Birne auf die Brust sacken, er wühlte sich seinen Weg nach unten, saß eine Weile in der Darmgegend rum und furzte sich dann aus. Ich starrte den Transistor an. Ich könnte selbst eine der alten unschlagbaren Platten auflegen, ich könnte das Mischpult aktivieren und es wie die Profis klingen lassen. Ich könnte selbst nen Fader reinsetzen, ich könnte das alles selber tun und irgendwas Bockstarkes einmischen und es würde genau so klingen.

Die Cembalos aus Dreadlock Holiday blendeten ein. Ich war einer großen Sache auf der Spur, keine Frage. Ich nickte bedeutungsvoll, beugte mich vor, hob das Teil hoch und untersuchte es in den Händen drehend auf irgendwelche Empfänger, die ich übersehen hatte. „Mister Perfect untersucht ein Gerät zum Funkempfang nach Funkempfängern“ rief ich aus – und war mir gar nicht mehr so sicher, ob das nicht doch jemand mithörte. Ich schaute mich um. Falls hier jemand eine versteckte Kamera installiert hatte, bekam er bereits eine ganz große Show frei Haus, also kam es nicht mehr wirklich darauf an. Ich schüttelte das Teil und drehte zur Gegenprobe den Tuning Knopf. Nichts. Kein Rauschen, kein anderer Sender, und "I Heard a dark Voice beside of me" röhrte Eric Stewart. Der Knopf ließ sich drehen, aber es veränderte nichts. Der Sender blieb, die Musik blieb, die Qualität blieb. Kein "und nun die besten Hits von gestern" -Gequatsche, keine Werbung, kein sinnloser Spruch, kein "Wir schauen für sie auf die Studiouhr." Marc Bolan wäre jetzt angesagt, sinnierte ich vor mich hin. „I was dancing when i was twelve”, warf Marc ein.

Na klar. Was sonst. „I danced myself right out the womb“, fuhr er fort. Okay, dachte ich, während diese unfassbar klare Glockenstimme anfing zu erzählen, jetzt ist es soweit. Ich schiss mir fast in die Hosen. Wollte doch noch so viel tun, bevor ich durchdrehe. Ich dachte an all die armen Schweine, die plötzlich realisieren, dass ihnen die Gedanken durch einen löchrigen Schwamm schlüpfen und jeden Tag ein bisschen mehr davon. Schwupps, weg. Schwuppsschwuppswegweg. Ich hob die Stimme, um mit Marc gemeinsam einer imaginären Hörerschar den Text zu trällern, wartete bis zum dramatischen Gitarrensolo und blendete dann in das Intro von "I am the Walrus" über – was mir mühelos gelang.

Okay, dachte ich. Hier wären wir. Kurz vorm Abdrehen. Mit einem Gedankenfurz dachte ich über den Reichtum nach, wenn man das hier zu Goldtalern machte. Und ich bin kein Kostverächter. Ein verdammtes Leben lang versucht, auf die Beine zu kommen und jetzt machst Du Musik mit Gedankenkraft. Ich zählte in Gedanken eine Reihe von 200-Euro-Flaschen-Whiskey durch, die ich mir mit mehreren scharfen Weibern teilte. "I am the walrus“ sang George. Ich gab ihm ein „Goo-goo-g-joob“zurück. Dann gab ich auf, denn die zweite Halbzeit fing an. Ich öffnete die Balkontür, hob das Ding hoch, ließ es in einer angemessenen Flugkurve lässig von meiner linken Hand auf meinen rechten Fuß trudeln und zog zielgenau mit einem satten Volley mitten durch die beiden Pfosten, knapp unter die Latte ab und schaltete die Glotze wieder ein.

Ich hing der Sache noch eine Weile nach, während der Ball rollte. Wie das mit den Weibern funktioniert hätte, war mir noch unklar. Und irgendwer hätte den Whisky kaufen müssen.

Kleinigkeiten.

 

 

 

 

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