Jeder zahlt drauf

Ich will nur kurz mal was einwerfen – und dann bin ich auch schon wieder raus. 

Bin im Ägyptenurlaub eingebucht. Und ständig kommt jemand vorbei, obwohl ich einfach nur hier liege und nichts mache. Sie tragen diese Hotel-T-Shirts und eine Mappe unterm Arm und wenn man sich nicht schnell genug schlafend stellt, muss man da durch. Egal, ob man zu zweit oder alleine ist oder womit man gerade beschäftigt ist. Sie sind gnadenlos, in dem was sie tun. Alle paar Minuten kommt einer. „Hello“, sagt er. „Massage?“ „No thanks“, sage ich. „Where are you from?“ fragt er. „Germany“, sage ich. „Wie gäähts?“ „Gut“ „Massage?“ Ich winke ab. Dann vergehen fünf oder zehn Minuten. „Helloooo…“ kommt wieder einer an. „Beauty Treatments?“ „No thanks“. „Where are you from?“ „Germany“. „Wie gäähts?“ „Danke“ „Cosmetics?“ So geht das hier die ganze Zeit und ich frage mich, warum sie mich nicht einfach in Ruhe lassen. Würde ich etwas von ihnen wollen, würde ich es doch sagen. Ich würde vielleicht denken „Hey, eine Massage könnte mir jetzt gut tun. Mal sehen, ob sie es anbieten und was es kostet.“ Aber ich liege hier nicht am Strand und freue mich drüber, dass alle Augenblicke einer kommt und was verkaufen will. Eigentlich will ich hier bloß auf meiner Liege liegen, ab und zu vom Cocktail schlürfen und aufs Meer starren. Ich bin damit absolut zufrieden. Aber es geht so weiter. Sie bleiben bei Ihrer Strategie. Vielleicht sollte ich meine ändern? 

„Hello. Tattoos?“ „No, thanks“ „Where are you from?“ „Tadschikistan!“ rufe ich. Er zögert einen Moment, weil er diese Antwort noch nie hörte. Man kann sehen, dass es in ihm arbeitet. Er hat noch nie jemanden auf tadschikisch gefragt, wie es ihm geht. Aber dann schaltet er zurück. „How are you?“ und ich sage „Well, everything was fine until someone came and thought I could need a tattoo“. Jetzt hab ich ihn, denke ich. Er wird mich vielleicht nie wieder fragen. Er blättert in seinem Katalog, bleibt aber stehen. Dann sucht er ein besonders abscheuliches Tattoo raus und hält es mir vor die Nase. „Tattoo?“ fragt er. „Special Price!“ Ich sehe ihn an. Er sieht mich an. „READ MY LIPS“ sage ich laut und deutlich. „NO“. Dann zieht er ab. Die Sache wird langsam anstrengend. Zehn Minuten später der nächste Kandidat. Diesmal geht es um ein Boot mit Glasboden, durch den ich die Fische sehen soll. READ MY LIPS. Jemand mit Schmuck, den ich kaufen soll. NO WAY. Der Animateur kommt vorbei. Ich soll Volleyball spielen. NEIN. Das will ich nicht. „Why not?“ fragt er. Es scheint aussichtslos. Mir wird klar, dass es ein Kampf ist, den ich nicht gewinnen kann. Es gibt zu viele von denen und wenn der letzte endlich durch ist, kommt der erste wieder an und fragt „Massage“?

Ich kaufe diesen Urlaub, lege mich hier an den Strand und muss doch ständig was zuzahlen. In diesem Fall den Verzicht auf ungestörtes, einfaches Nichtstun, weil ich mich ständig mit etwas auseinandersetzen muss, was ich nicht kaufen will. Im Prinzip ist es die gleiche Sache, wie bei einem penetranten Newsletter, wenn sie dich mit Werbung zuwerfen. Du meldest Dich irgendwo an oder kaufst was, gibst Deine Mailadresse her und dann kriegst du alle Nase lang eine Mail mit irgendwas, was sie Dir andrehen wollen. Ich kriege da beispielsweise diesen Katalog mit irgendwelchem technischen Schnickschnack. Ich habe ihn nie bestellt, aber ich kriege ihn halt. Außerdem jede Menge Mails, die ich durch alle möglichen Spamfilter jage, aber sie sind mir immer einen Schritt voraus. Alles Preis-Hits. Alles Mega-Chancen. Nur jetzt. Nur bis nächste Woche. Bald ausverkauft. Riesen-Knaller. Dabei kaufen Sie den Krempel in China ein. Und er taugt nichts. Das weiß ich, weil ich aus purer Verzweiflung eine elektronische Münzzählerspardose bestellte, in der Hoffnung, dass es damit gut ist. Natürlich war es das nicht. Das Gegenteil trat ein. Das Ding hielt keine zwei Tage und noch mehr Mails mit noch mehr Schrott kamen.

Wozu sollte ich ein faltbares Fern-Infrarot-Heizpanel kaufen? Oder einen Vakuumbeutel zum Luftabsaugen für meine Kleidung? Wenn ich zuviel Klamotten habe, werfe ich welche weg oder kaufe mir nen größeren Schrank. Aber ich mache sie doch nicht kleiner. Ich brauche auch keinen elektromagnetischen Schwebe-Präsentationsteller, keinen stromfreien Holzspalter für den Fußbetrieb oder eine tragbare Ultraschallwaschmaschine für die Reise. Und doch versuchen sie, einem das Zeugs permanent anzudrehen. Neben dem Shiatsu-Tiefenwärmer zum Umhängen ist mein derzeitiger Favorit auf das unsäglich Blödsinnigste ein LED-Toilettenlicht mit Bewegungssensor. Wenn Du die Klobrille hochklappst, leuchtet Dir die Schüssel entgegen. Und zwar in vier Farben. Über all den Unsinn denke ich nach, bis mich der nächste Verkäufer anspricht, während ich am Strand liege und einfach nur meine Ruhe haben will. Jeder zahlt drauf.

Das war eigentlich alles, was ich sagen wollte. Und jetzt geh ich wieder.

 

 

 

 

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