Drei weitere Grüße an den Meister

 

ZOO

 

Die Elefanten waren schlamm-

verkrustet und müde,

die Rhinos standen nur herum,

die Zebras dumpf, wie abgestorben,

und die Löwen brüllten kein

einziges Mal, alles

war ihnen egal,

die Geier waren überfüttert,

die Krokodile lagen

regungslos da,

und dann sahen wir eine

seltene Affenart, der Name

fällt mir nicht mehr ein,

das Männchen hockte da oben

auf einem Brett, und nach

einer Weile besprang es

ein Weibchen, rammelte sich

kurz einen ab und ließ sich

grinsend auf den Rücken fallen.

"Na wenistens etwas", sagte ich

zu meiner Freundin. "Gehen wir".

 

Zuhause redeten wir darüber.

 

"In diesem Zoo kann man

schwermütig werden", sagte ich,

während ich mich auszog.

 

"Außer den beiden Affen

war keiner happy da drin", sagte sie

und zog sich das Kleid über den Kopf.

 

"Hast Du den Gesichtsausdruck

von diesem Männchen gesehen?"

fragte ich.

 

"Genau wie bei dir, wenn wir's

gemacht haben", sagte sie.

 

Später sah ich ein seltsames

Affenwesen im Spiegel. Und ich

fragte mich, wie es wohl

bei den Giraffen war, und bei

den Rhinos und den Elefanten.

Besonders bei den Elefanten…

 

Wir werden wohl noch öfter

in diesen Zoo gehen müssen.

 

 

BRIEFE

 

Sie sitzt am Boden, kramt

in einer Pappschachtel und

liest mir die Liebesbriefe vor,

die ich ihr einmal geschrieben habe.

Daneben liegt ihre 4-jährige Tochter,

in eine rosarote Decke gehüllt und

3/4 eingeschlafen.

 

Wir haben uns nach einem Krach

wieder versöhnt, ich sitze

an einem Sonntagabend

bei ihr zuhause.

 

Draußen fahren die Autos

den Berg rauf und runter;

wenn wir heute nacht im

Bett liegen, werden wir

die Grillen hören.

 

Wo sind die armen Irren,

die nicht so gut leben

wie ich?

 

Ich liebe ihre vier Wände

Ich liebe ihre Kinder

Ich liebe ihren Hund

 

Wir werden den Grillen zuhören,

ich werde den Arm um ihre

Hüfte haben, meine Hand

auf ihrem Bauch.

 

Eine Nacht wie diese

ersetzt ein ganzes Leben

und gibt sogar dem

Tod noch den Rest.

 

Ich mag meine Liebes-

briefe. Was drinsteht,

ist alles wahr.

 

Ah, was für einen Hintern

sie hat… und soviel Seele!

Einfach märchenhaft!

 

 

GRAUE THEORIE

 

Sieh zu, dass Du immer ein

Notizbuch dabei hast. Und

trink nicht so viel. Trinken

ruiniert Deine Sensibilität.

Geh zu Lesungen. Achte darauf,

an welchen Stellen sie Luft

holen. Und wenn du liest,

bring es mit Understatement,

spiel es immer herunter. Das

Publikum ist smarter, als du

denkst. Und wenn du etwas

geschrieben hast, schick es

nicht sofort raus. Leg es

erst mal zwei Wochen in die

Schublade, dann hol es heraus

und sieh dir's an und über-

arbeite es, ÜBERARBEITE ES

immer und immer wieder.

Straffe die Zeilen, zieh die

Schrauben an, als wären es

Drahtseile, die eine Brücke

mit 5 Meilen Spannweite

tragen müssen. Und leg dich

nie ohne dein Notizbuch ins

Bett. In der Nacht werden dir

Einfälle kommen, und wenn du

sie nicht sofort aufschreibst,

sind sie für immer weg. Und

TRINK NICHT. Trinken kann

jeder Idiot. Wir sind

Literaten.

 

Er war wie alle anderen, deren

Schreibe nichts taugt: Er wusste

erstaunlich viel darüber zu

sagen.

 

 

 

(aus: Mockingbird wish me luck, 1972, Charles Bukowski)

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