Legalize it!

Oh Mann.

Was hatten wir früher einen Stress damit! Zum Beispiel, als Paul eines Tages ein großes Tütchen aus Amsterdam mitbrachte, voll mit hundert Samen für eine Super Skunk Zucht. „Hast Du denn genug Platz im Garten?“, fragte ich ihn. „Bei mir selbst nicht“, sagte er. „aber ich dachte mir, wir machen es wie bei Oma Bertha. Quasi, so als Nachbarschaftspflege“. Achja, die Sache mit Oma Bertha, dachte ich. Eine absurde Geschichte. Paul war in einem kleinen Kaff auf dem Lande aufgewachsen, wo man verdammt aufpassen musste, dass die Nachbarn nichts Verdächtiges sahen, was irgendwie anders aussehen könnte, als das eigene Haus, das eigene Leben, die eigene Familie. Ich hasste dieses Dorfleben. Mir war unsere Kleinstadt schon zu piefig, aber in einem Dorf aufzuwachsen, in dem jedermann mitkriegte, wann man nach Hause kam und vor allem mit wem, das hätte mich krank gemacht. Oma Bertha wohnte in einer ruhigen Seitenstraße des Dorfes und hatte einen ziemlich bunten und etwas verwilderten Garten, was man ihr nie hätte durchgehen lassen, wenn sie noch berufstätig und jünger gewesen wäre. Aber jetzt wusste man ja, dass sie alt und nicht mehr fit genug war, die Pflanzen so säuberlich nach Formen und Farben anzuordnen, wie das auch die Nachbarn taten. Also pflanzte einer von Pauls Freunden eines Nachts ein paar Stecklinge vom frischen Cannabis Sativa ein und die Dinger schossen den Sommer über wie Bäume in den Himmel und als die Nachbarn merkten, dass das keine Tomaten waren, wurde es Zeit zum Ernten. „Das können wir natürlich machen, aber wir brauchen dazu auch eine Bertha“, sagte ich zu Paul. „Ach, das wird sich schon finden“, meinte er, „solange du dich erst mal um die Anzucht kümmern kannst.“

Das konnte ich! Ich konnte sowieso tausend Dinge, aber nichts davon richtig gut, weil ich zu allem zu faul war, um es richtig zu lernen. Aber das mit dem Sensimilla, das hatte ich drauf. Kein Wunder, nachdem ich im Jahr zuvor den Garten des Buchhalters damit großflächig ausgestattet hatte. Aber weil wir alle auch ein bisschen paranoid vom Versteckspielen waren, war der Buchhalter nicht begeistert davon. Die Dinger erst mal zum Pflanzen klar machen, war eine ausgezeichnete Idee, der ich mich mit Hingabe widmete. Vom letzten Jahr hatte ich noch vier fette Pflanzenstrahler, die jeweils satte 300 Watt zogen, damit konnte man die Anzucht wahlweise rot oder blau beleuchten. Was ich noch brauchte, waren frische Anzuchttöpfchen, eine Zeitschaltuhr, Anzuchterde und einen Bestäuber, damit die Saat gleichmäßig feucht blieb. Tatsächlich keimten binnen einer Woche 95 von 100 los und nachdem ich sie liebevoll einzeln gesetzt hatte, trieben sie in meinem Bettkasten vor sich her, alle sechs Stunden mit voller Beleuchtung, gleichmäßig warm und feucht – und dann ging das los mit dem Schneiden. Meiner Erfahrung nach war der Pflanzenschnitt das Wichtigste von allem und nahm auch am meisten Zeit weg. Alle zwei Blattpaare je eins mit einem sauberen Cut der Nagelschere und schon bald wurden sie schnell kräftig und groß genug, um sie auszusetzen. Das Problem war bloß, dass wir immer noch keine Bertha hatten und außerdem nahmen 95 Stecklinge einiges an Platz weg – da hätten wir schon mehrere Pflegestationen gebraucht. Die rettende Idee kam uns dann am Vatertag im Mai, als sich ganze Horden saufender Männer mit ihren Bollerwagen in Richtung des Stadtwalds aufmachten. Wir besorgten uns also auch eine Karre, voll mit unseren fast hundert Haschischpflanzen, zogen eine Decke drüber und suchten uns ein geeignetes Plätzchen. Einerseits sollte es sonnig und windgeschützt, andererseits weitab vom Schuss sein. Nach gut einer Stunde geduldigen Suchens fanden wir sowas auch, mussten dazu aber tief ins Naturschutzgebiet stapfen. Dann pflanzten wir die Stecklinge sorgfältig ein, schön in einem gebührenden Abstand zueinander und versuchten uns genau zu merken, wie wir sie wiederfinden könnten.

Schon bald müssten wir die weiblichen von den männlichen Pflanzen trennen. Nur wenn sie nicht bestäubt werden, tragen die Weibchen kräftig. Aber dann kam der wunderbare Biergartensommer und als mir das mit den Marys wieder einfiel, war es auch schon viel zu spät. So kam und ging der Sommer und als wir im warmen September wieder dran dachten, sagte ich zu Paul, „lass uns doch mal sehen, wie es denen da draußen ergangen ist“. Vielleicht war es ja doch ein gutes Wachstumsmodell, alles einfach der Natur zu überlassen. Wir fuhren also wieder zum Waldparkplatz, stiefelten da rein und suchten unsere Pflänzchen oder vielmehr, wir stritten permanent drüber, welcher Weg uns dahin führen würde. Volle vier Monate war das jetzt her und der Wald sah jetzt auch ganz anders aus, viel üppiger und dichter bewachsen. Irgendwann fanden wir den Platz dann doch und alles auf dieser ehemaligen Lichtung vom Frühling war jetzt ein einziges Grün. Es roch ringsum wunderbar nach Gras, also waren wir auf der richtigen Spur. Aber es war wie beim Pilze suchen, weil wir auf den Boden guckten und unsere Lieblinge vergeblich suchten. Und dann stand ich auf einmal vor sowas wie einer genmanipulierten, übergroßen Tomatenpflanze und dann wurde mir klar, warum wir sie nicht fanden. Wir mussten nach oben schauen – und nicht nach unten suchen. Alle zwei Meter ragte ein Riese neben dem anderen über das ganze Grünzeug hinaus und da waren sie dann alle, umringt von hundert anderen Pflanzen: Ein richtiger, sattgrüner Cannabiswald, den wir da produziert hatten. Die allermeisten waren bestäubt, aber so ganz sicher waren wir uns nicht. Wir freuten uns natürlich wie Bolle und stopften alles, was nach den leckeren Blüten aussah in die beiden blauen Müllsäcke, die wir mitgebracht hatten.

Zwei mal zweihundertvierzig Liter voll mit allem, was wir für rauchbar hielten und damit machten wir uns dann gutgelaunt auf den Rückweg. Es wurde ja auch langsam wieder dunkel, aber es sah schon auffällig aus, dass wir beide mit diesen Monstersäcken in unserer Holzkarre durch den Wald stapften. Als wir fast schon wieder am Parkplatz waren, kam uns einer entgegen, deutete auf die Säcke und fragte, was wir da drin hatten. Ich sah Paul an, der sah mich an und dann sahen wir beide den Typen an. Es war ein bisschen wie in einem Mexican Shootout und jeder von uns wartete darauf, dass wer was sagt. Und der Typ sagte dann, er sei hier der Förster und ich sagte ‚Na klar‘ und wir seien Biologiestudenten. Dann erklärte ich – und zwar offensichtlich halbwegs überzeugend – dass wir das Grünzeug für unsere Vorlesungen brauchten. Das war dermaßen absurd und bescheuert, aber andererseits auch wieder so komisch, dass der Waldmann sich erst mal damit zufrieden gab. „Ihr wart aber nicht im Naturschutzgebiet?“, fragte er. „Naaaeiiiin, natürlich nicht“ riefen wir synchron empört aus. „Da laufen mir nämlich zu viele rum“, schob er nach und deutete auf die blauen Säcke. „Was habt Ihr denn da drin“? Einen kurzen Moment dachte ich daran, alles fallen zu lassen und einfach loszurennen, aber dann erschien es mir albern. Es waren die Achtziger und es gab sogar immer noch jede Menge Polizei, die nicht wusste, wie das Zeugs aussieht. Ich setzte mein Pokerface auf und sollte recht behalten. Ich zeigte ihm einfach eine unserer fetten Pflanzen und behauptete, keine Ahnung zu haben. „Mmmh“, sagte der Förster, „das weiß ich auch nicht, wo habt Ihr die denn gefunden?“ Ich beschrieb ihm sicherheitshalber einen komplett anderen Weg als den, woher wir kamen und dann verabschiedeten wir uns freundlich und schleppten unsere Ernte zu meiner Badewanne, die geduldig auf uns wartete. „Dreh dich mal um, kannst du den Typen noch sehen“? fragte ich Paul. „Ja“, sagte er. „Sieht so aus, als ob er immer noch da steht und jetzt ein Fernglas in der Hand hat“. „Okay“, sagte ich. „Wir machen es jetzt wie in French Connection. Ich schließe jetzt den Kofferraum und wir bleiben einfach hier vorm Kennzeichen stehen und rauchen erst mal ne Kippe“.

Das taten wir dann auch und irgendwann dauerte es auch dem Förster zu lange und er lief den Weg weiter in den Wald rein. Ich weiß aber nicht, was wir getan hätten, wenn er doch noch auf uns zugelaufen wäre. Jedenfalls sortierten wir zuhause in Ruhe aus, was wir für rauchbar hielten und was nicht und gemessen am Aufwand für die Zucht, den uns der gute Stadtwald einfach abnahm, ohne dass wir auch nur irgendwas dazu taten, war es eine verdammt gute Ausbeute. Für den Rest des Jahres hatten wir jedenfalls genug zu dämmen.
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Bild von Hagar Lotte Geyer auf Pixabay
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