*
18 AUTOS MIT MÄNNERN DIE SICH VORSTELLEN WAS HÄTTE SEIN KÖNNEN
*
Auf der Rückfahrt vom Rennplatz
sah ich eine Frau in Grün –
gut gebaut, nichts als Kurven –
die wie umnebelt über die
Straße rannte, sexy
wie eine grüne besoffene Antilope,
und am Rinnstein kam sie
ins Stolpern, fiel hin und
saß in der Gosse
und ich saß da
in meinem Wagen
und fühlte mich merkwürdig
unbeteiligt, als wäre
überhaupt nichts passiert;
ich saß da und sah
diese grüne Kreatur an
und dann hielt ein
18 Meter langer Möbelwagen
und ein Kerl stieg aus und
half der Dame auf die
Beine.
Ein junger Mann in weißen Overalls,
ganz rot im Gesicht, und die Dame,
rundum gut beienander und
benommen von ihrem Sturz und
benommen vom Leben,
stand schwankend auf ihren
turmhohen Pfennigabsätzen,
rieb sich ihre weißen Knie
und der junge Mann redete auf sie ein
mit seinem roten Gesicht, groß
und blond und dämlich und einsam,
aber dann fragte ihn die Frau
nach der nächsten Bar, und er
grinste und zeigte die Straße runter
und gab es auf.
Er stieg wieder ein, und die
18 Meter Möbel und Decken und Herd
fuhren ab,
und die grüne Antilope
ging über die Straße
in Richtung Bar und
schlingerte und wackelte
mit allem was sie hatte
und wir saßen da
wie in Trance
und sahen ihr nach
bis hinter mir im Stau
ein energischer Mensch
auf die Hupe drückte;
ich machte den Gang rein
und fuhr langsam
auf das große Schlagloch
am Supermarkt zu
das deinen Wagen mitten durch
brechen kann
und die anderen folgten mir
und machten genauso
langsam:
18 Autos mit Männern
die sich vorstellten
was hätte sein können
mit der Dame, die ihnen
durch die Lappen ging.
Und es war kurz vor
Sonnenuntergang, und der
Verkehr war dicht
und das Leben
hart.
****
*
JEDER WIE ER KANN
*
Am 17. hatte ich die ganze Nacht
das Radio laufen, die Nachbarn
applaudierten, und die Vermieterin
bollerte an die Tür und sagte:
Ich BITTE Sie,
ZIEHN Sie endlich aus!
Sie machen die Betwäsche dreckig.
Und wo kommt überhaupt all dieses
Blut her?
Sie gehn nie arbeiten, Sie liegen
dauernd nur rum und reden mit
Ihrem Radio, und Sie
trinken, und Sie haben
einen Bart
und Sie grinsen immer so höhnisch
und bringen all diese Frauen
auf Ihr Zimmer
und Sie kämmen sich nie die Haare
und putzen sich nie die Schuhe
und Ihre Hemden sind ungebügelt
warum gehn Sie nicht?
Sie machen Ihre Nachbarn unglücklich
bitte gehn Sie endlich, Sie tun
uns allen einen Gefallen damit!
Rutsch mir’n Buckel runter, Baby!
zischte ich durchs Schlüsselloch.
Meine Miete ist bezahlt bis
nächsten Mittwoch. Ich hab einen
weiblichen Akt an der Wand hängen,
Aquarell aus dem Jahr 1887, von
einem unbekannten deutschen Künstler.
Willst du’s mal sehen? Ist mit
1000 Dollar versichert.
Nichts zu machen. Sie stapfte den
Korridor runter. Kein Kunstverstand.
Würde die Alte gern mal nackt sehen,
dachte ich. Vielleicht lässt sie sich
malen, und ich bin aus allem raus. Oder?
***
*
ÜBERLEBEN IST ALLES
*
Früher war ich
groß im Reisen, auch
ohne Geld. Manche Städte
brachte ich in 2 Wochen
hinter mich, manche in
3 Tagen… jahrelang machte
ich die großen Städte
durch, mit einigen
bekam ich es zwei- oder
dreimal zu tun.
Jetzt bin ich hier,
seit zehn Jahren – nicht nur
in der gleichen Stadt,
sogar im gleichen Apartment.
Zehn Jahre…
Vor mir wohnte hier eine
die wahnsinnig wurde;
sie schrie, als man sie
wegtrug unter einem
großen weißen Tuch; dann
zog ich ein.
Bis jetzt ist es gut-
gegangen… verschiedene Jobs,
verschiedene Frauen, es gab
immer wieder einen Weg;
irgendwie, scheint es,
schlängelt man sich durch.
Wenn nur die Ameisen
nicht wären… die Ameisen
hier drin sind unglaublich
stur; sie nisten sich
immer wieder im Abfluss
der Badewanne ein, im
Abfluss des Waschbeckens.
Die Lösung, die sich anbietet
ist wohltuend und hygienisch
und widerwärtig zugleich:
ich drehe den Heißwasser-
hahn auf und sehe zu
wie sie in einem kochenden
Strudel zur Hölle fahren…
aber sie kommen immer wieder
und jedes Mal sind es mehr,
sie kommen schneller zurück
als die Frauen.
Heute wollte ich gerade wieder
eine Ladung eredigen, in
Badewanne und Waschbecken,
als das Telefon klingelte –
es war mein Freund Danny.
Hör zu, sagte er, du bist
der einzige wirkliche Mensch
den ich kenne. Ich werd
mich umbringen…
Nur zu, sagte ich.
Sie hat mich verlassen,
sagte er, einfach so,
kaum ein Wort… Ich hab sie
wirklich geliebt. (Er begann
zu schluchzen.)
Jetzt hör mir mal zu, sagte
ich. Eine Tusse kennenzulernen
ist Zufall; von einer verlassen
zu werden, ist dagegen ein
elementarer Fakt des Lebens.
Sei froh, dass du es mal
mit einem elementaren Fakt
zu tun kriegst…
Danke, sagte er, und legte
auf.
Ich ging zurück zu meinen
Ameisen und drehte beide
Heißwasserhähne gleichzeitig auf.
Ich verbrühte und ersäufte sie
gründlich.
Wieder schrillte das Telefon.
Hör zu, sagte er, ich mach es!
Diesmal mach ich ernst!
Ich legte auf.
*
*
*
*************
Aus: Charles Bukowski: IT CATCHES MY HEART IN ITS HANDS, New Orleans 1963