Alles vorbei, Kleine

Hin und wieder reißt es mich geradezu hin, eine Liebeserklärung an einen bestimmten Song zu schreiben. Durchaus mal mit dem Hintergrund dazu, auf alle Fälle aber mit der Übersetzung, die ihm gebührt. Setze zehn Übersetzer an einen Song und es wird zehnmal anders übersetzt! Und doch noch weit entfernt davon, was die Internetseiten automatisiert als Text ausgeben. Dies ist jedenfalls mein Text, zu meinem Lied.

It's all over now – in der Version von "Them" mit Van Morrison. Kaum ein Stück hat mich so angerührt, so mitgenommen und in seiner Dramatik so erfasst, wie dieser Song. Das liegt zuallererst an der unfassbar leidenden und ergreifenden Stimme von Van Morrison. Du fühlst den Schmerz, Du leidest mit Baby Blue und doch weißt Du, dass dieser Schmerz auch etwas Heilendes, etwas Gutes hat, denn du wächst an ihm. Du fühlst ihn wie Deinen eigenen und merkst, dass es weh tut. "Them" gelang mit "It's all over now" ein Meisterstück, denn das einleitende Glockenspiel der damals revolutionären Orgel und der führende, erzählende Basslauf öffnen bereits Ohren und Sinn für das folgende Drama. Die dynamikführende Melodie ist gleichzeitig synchrones Beiwerk für Vans Ausdruck, als auch einprägsame Tonfolge, wie es außer dieser hier nur wenige Beispiele gibt. Satzfolgen wie "The highway is for gamblers…" oder "yonder stands your orphan with his gun" haben eine ähnliche Wirkung wie "High Noon" auf versammelte Kinofans vor der Leinwand. Jeder Satz ein Statement, jede Zeile wie in Stein gemeißelt.

Bob Dylan schrieb den Song 1965, vermutlich als Liebeserklärung an etwas, was er nicht (mehr) erreichte. Was genau ist unklar, aber auch nicht wichtig. Wie jeder Dylan-Song für sich genommen bereits ein in sich abgeschlossenes Werk. Da werden keine Fragen gestellt. Nur ein Jahr später griff sich "Them" den Song und machte daraus etwas, was mit verbesserter Interpretation nur unzureichend beschrieben werden kann. Hört Euch das an. Und leidet.

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Lüricks (2)

[Düllen, 1965]

 

Du musst jetzt gehen. Pack alles ein, was Dir wichtig ist.
Aber alles was Du behalten willst, solltest du Dir schnell greifen.
Dort drüben steht Dein Alter Ego und bedroht Dich mit ner Knarre
Leidend wie ein Feuer in der Sonne
Schau genau hin, die Hoffnung schimmert hindurch
Aber das hier ist das Ende, mein armes Kind


Schnell leben ist für Spieler, Du nutzt besser Deinen Verstand
Nimm was Dir zufällig geblieben ist
Der Straßenmaler zeichnet mit den bloßen Händen
seltsame Muster in dein Schicksal
Selbst der Himmel bricht über dir zusammen
Denn das hier ist das Ende, Du traurige Seele


All Deine seekranken Matrosen rudern nach Hause
All Deine Herden laufen nach Hause
Dein Schatz geht gerade aus der Tür
Und hat alle wärmenden Decken mitgenommen
Selbst der Teppich unter Dir bewegt sich
Und es ist das Ende, Du armes Tier


Etwas in Dir sagt, lass das alles hinter Dir
Vergiss das Leblose, was Du verlassen hast, es wird Dir nicht folgen
Der Vagabund in Dir rüttelt Dich wach
Und zieht sich Deine Kleider an
Vergiss das alles, fang was Neues an
Denn jetzt ist es vorbei, armer Liebling

 

 

 

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2 Kommentare

  1. Mein absoluter Lieblingssong und in der Version von „Them“ mit Van Morrison einzigartig, wobei Bob Dylan (der Macher, seine Idee, mehr noch seine Gefühle) dieses tiefgehende Werk ins Leben rief. Oftmals kopiert, aber keiner kommt an THEM ran (meine persönliche Meinung). Musik ist ja bekanntlich ein Gefühl ;-). Danke dir für deine Übersetzung – sie trifft den Nerv des Liedes hervorragend.

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