Hit the road, Buchhalter!

Aus der Serie: Die Abenteuer mit dem Buchhalter; Teil 1: Wir starten durch.

Der Buchhalter und ich waren dicke Freunde. Wir waren arbeitslos, wir hatten Zeit und wir erzählten uns abends beim Bier die schönsten Geschichten. Das heißt, ich war mehr für's Biertrinken zuständig und er erzählte die Geschichten. Der Buchhalter hielt sich nämlich Bücher, deswegen konnte man so gut mit ihm reden. Stets wusste er eine Stelle, an der er dies oder jenes schon mal gelesen hatte. Dafür überließ er mir das Trinken, denn auf dem Fachgebiet der Alkoholika hatte er schon in seiner Jugend das Königsdiplom erworben und verzichtete deswegen generös für den Rest seines Lebens drauf. Er hielt sich außerdem eine bösartige Katze, die sich immer nur wenige Minuten anfassen ließ. Dann schlug sie drei Mal mit dem Schwanz auf den Sessel oder, wo immer sie saß, und rammte einem die ausgefahrene Kralle in den Arm. Wenn man zu nah dran war und nicht schnell genug wegzog, schlug sie auch gerne mal gezielt in Richtung Knollennase. Das trübte unsere Freundschaft aber nur wenig. Wenn die Katze erst einmal kräftig ausgeteilt hatte, konnten wir uns anderen Dingen widmen, beispielsweise der Kunst eines perfekten Joints, die simpler Weise darin bestand, uns perfekt wegzubeamen. Währenddessen diskutierten wir die Weltlage und hörten selbstredend die weltbeste Musik.

Der Buchhalter und ich setzten hin und wieder unsere letzten Kröten dazu ein, dem Dope etwas mehr Nachhaltigkeit zu verleihen, indem wir die Lokalität wechselten. Zu diesem Behufe entschlossen wir uns meist sehr kurzfristig, meinen Kadett, den er Badewanne zu nennen pflegte, zu kurzen Tripps über eine oder mehrere Grenzen zu nutzen. Er war der übelste Autofahrer, den ich je kennenlernte, also blieb der Job hinterm Steuer meiner, aber das machte mir nichts, denn ich liebte meine Badewanne. "Wir brauchen frischen Stoff", sagte ich. "Das wäre in meinem gesteigerten Interesse", sagte der Buchhalter. "Amsterdam", sagte ich. "Perfectamente!!", rief der Buchhalter, "ich muss aber noch die Katze füttern". Wir fütterten die Katze, nahmen ein Buch für den Buchhalter mit, stiegen in die Badewanne und fuhren los. Allen Trips lag die Bedingung zugrunde, dass ich dem Buchhalter nach dem Frühstück eine ordentliche Gelegenheit zum Kacken versprach. Das war im so im Groben des Buchhalters größtes Problem. Wenn er Zeit zum Morgenschiss hatte, war alles geritzt.

Der Buchhalter und ich vertrieben uns die Zeit in der rollenden Badewanne damit, das gesamte Liedgut Konstantin Weckers lauthals rauf und runter zu singen, bis keinem von uns mehr irgendein Titel einfiel, den wir nicht schon rausgefeuert hatten. Mit der Zeit wurden auch seine Joints besser, weil er das Buch gekonnt als Bastelunterlage einsetzte und mit den richtig guten Geschichten flogen die läppischen sechs Stunden Fahrzeit nur so dahin. In der Regel versuchte ich, mich nach ein paar Stunden Fahrt dem Feierabendbier zu widmen, indem ich eine ruhige, kaum befahrene und kerzengerade Strecke auswählte, bevor er das Steuer übernahm. Ich kann mich aber an kein einziges Bier erinnern, das ich in Ruhe wegtrank, ohne an einen Getriebeschaden zu denken. Also wechselten wir wieder. Am Supermarkt hielten wir kurz an, um einen Sechserpack Bier und ein Kilo schmierige Schweinswurst samt einem ganzen Laib Brot einzukaufen. Es war wie bei den Blues Brothers. Das Bier war für mich, das Kilo Wurst und das Kilo Brot für ihn. Als trockener Alkoholiker hatte der Buchhalter nie Interesse an flüssiger Nahrung, aber er schob sich ein ganzes Brot samt Kilo Wurst in Rekordzeit rein. Dafür saß er morgens eine Stunde auf dem Klo.

Der Buchhalter und ich parkten die Badewanne möglichst zentral in einer Halteverbotszone Amsterdams im blinden Vertrauen darauf, dass auch die Polizisten dort mal Feierabend machen, fragten nach einem Zimmer und wurden prompt bedient. Mich wunderte das. Ganz sicher hatte der Hotelier am Tresen nicht darauf gewartet, zwei Haschischbrüdern, von denen der eine nach Bier und der andere nach Leberwurst roch, mitten in der Nacht ein Zimmer für eine Übernachtung abzugeben. Aber es klappte jedes Mal. Egal wo wir waren. "Gibt es ein Klo im Zimmer?", fragte ich. "Es gibt das verdammt beste Klo Amsterdams da drin", sagte der Mann von der Nachtschicht. Wir waren zweifellos im richtigen Haus. Wir trugen das Buch und das Bier nach oben und dann waren wir da. Ich durchwühlte die Taschen meiner Jeans und fand einen etwa drei Gramm schweren Klotz, den ich angesichts der überaus fantastischen Shopping-Möglichkeiten in Amsterdam kunstvoll in eine einzige Tüte eindröselte. Der Verlauf des restlichen Abends ist mir seltsamer Weise nicht mehr in Erinnerung. Am nächsten Tag lud ich den Buchhalter mit einer königlichen Geste auf einen festlichen Start in die Presskammer ein, während ich den Kaffeeautomat des Hotels eines Stresstests unterzog und dann ging das los. Wir ließen uns mit dem Boot durch die Kanäle schippern, durchforsteten einen Flohmarkt, liefen kilometerweise durch die Grachten und achteten dabei peinlich genau auf die gewerkschaftlich vorgeschriebenen Rauchpausen in den Coffeeshops. Bis dem Buchhalter einfiel, dass er seine Katze füttern musste. Zu unserer großen Überraschung arbeitete die holländische Polizei auch am Wochenende. Wir merkten es daran, dass wir auf dem Rückweg einem Abschleppwagen begegneten, der die Badewanne am Haken hatte.

Ich legte einen kurzen Sprint hin, während der Abschlepper an einer Ampel hielt, klopfte an die Scheibe und rief: "Hey, this is my car!". Der Typ blieb äußerst gelassen, kurbelte die Scheibe runter und reichte mir einen Zettel, auf dem der Platz für abgeschleppte Badewannen eingezeichnet war und gab Gummi. Ich stand wie Donald Duck mitten auf der Kreuzung und betrachtete den Zettel. Der Parkplatz befand sich weit außerhalb der Stadt. Weil wir inzwischen abgebrannt waren, machten wir uns zu Fuß auf den Weg. Es war ein langer und beschwerlicher Marsch, auf dem wir uns nur eine einzige Rauchpause gönnten, weil wir die Geschichte einübten, die wir dem Abschleppmeister möglichst glaubwürdig unter die Nase reiben wollten. Damit sollte es machbar sein, den Kadett mit den restlichen 5 Gulden 74 auszulösen. Unsere Geschichte bestand im Wesentlichen darin, dass uns jemand ausgeraubt hat. Der Chef zupfte seine Uniform zurecht, zog die Mütze in die Stirn und sagte trocken und bestimmt: "120 Gulden. Ausweis" Ich gab ihm unsere Geschichte. Und den Ausweis. Das zog aber keine Forelle vom Teller. Er verlangte ein Anzeigenprotokoll, das wir uns von der Stadtpolizei besorgen sollten und schob einen Zettel über den Tresen, auf dem der exakte Weg, den wir soeben hier raus gelaufen waren, wieder zurück eingezeichnet war. Shit. Was sollten wir tun? Die Katze hatte Hunger! Also kehrten wir wieder um und marschierten ins städtische Polizeirevier… aber das ist eine andere Geschichte, die ich Euch im nächsten Teil erzähle!

Teil 2

Teil 3

 

 

 

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8 Kommentare

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  6. Es wäre super mal an einem gemütlich feuchten (nicht für den Buchhalter) Abend, euere Erinnerungen und die dann unweigerlich aufkommenden "Storys" zu lauschen. Auf nach Big B oder back to SB

    • Na klar, aber bis es soweit ist, musst du mit den Geschichten hier noch auskommen. Und meine Beiträge auf Facebook teilen, Danke dir.

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