Fünf erste Dates

Ihre weiße Arbeitskluft war
um ihren Hintern herum
einfach eine Nummer zu klein
aber das vergaß sie wenn sie mittags
die Krankenbesuche plante
wie jeden Tag um zwölf
am Apothekerschrank stand
sich über ihre Bücher beugte
den Baumwollstoff um ihren
Prachtarsch spannen ließ
und die Fälle studierte
während ich pünktlich
wie jeden Tag um zwölf
am Stationszimmer vorbei schlich
bis sie mich eines Tages dabei erwischte
sich aber nichts anmerken ließ
und den Hintern souverän
noch weiter raus schob
um sich die Bücher ganz genau anzusehen
Das imponierte mir

Wir kannten uns seit Jahren
als sie mir erzählte
dass er sie
verlassen hatte
saß am Tisch wie
ein Häufchen Elend
und da war mir danach
sie zu trösten
ich nahm sie in den Arm
sprach ihr Mut zu
machte ihr Komplimente
sagte ihr schöne Dinge
und spürte wie
sie plötzlich aufblühte
das gefiel mir
und ich machte
einfach weiter damit
bis sie sich
völlig entfaltete
und einen betörenden Duft abgab

Der Saal war brechend voll
sie saß links neben mir
redete mit irgendwem
als sie zu mir rüber sah
sagte ich zu ihr
dass ich Wein besorge und 
ihr was mitbringe
aber sie verstand nichts
weil es so laut war und als
ich zurück kam, mich wieder hinsetzte
ihr das Glas in die Hand drückte
wieder was sagte
drehte sie sich komplett zu mir rüber
hielt ihr linkes Ohr ganz dicht
an meinen Mund so dass ich dachte
sie will dass ich sie dort küsse
und als ich es später tat
stellte sich heraus
dass sie auf dem rechten Ohr
gar nichts hörte

Nach Monaten verabredet
aber ich hatte sie
noch nie gesehen
denn wir schrieben
uns die ganze Zeit nur
bis sie mich sehen wollte
trotzdem erkannte ich sie sofort
wie sie in diesem Restaurant
ihre Suppe löffelte und
den Eingang fest im Blick hatte
ich pustete dreimal durch
öffnete die Tür und schritt
geradewegs auf den Tisch zu
sah sie an
schüttelte ihre Hand
stellte mich höflich vor
setzte mich zu ihr
lächelte sie an und sagte
dass ich es vorziehe
nachts nackt zu schlafen

Sie trug ein unsterbliches Gedicht vor
dann war ich dran
und nach der Lesung stand sie
wie selbstverständlich 
neben mir als ob sie 
immer schon da stand
und ich wunderte mich
dass ich sie
noch nie zuvor bemerkte
sie sah mir in die Augen
sprach mich an und
mit dem allerersten Moment
mit ihrem ersten Wort
und ihrem ersten Blick
wurde mir bewusst
dass sie immer schon
wie selbstverständlich
an meiner Seite stand
und nur darauf wartete
dass ich sie endlich bemerkte

 

 

 

 

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Ein Kommentar

  1. Gelesen am 12.2.18 im Café Cralle 

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