Drei Grüße an den Meister

Aus: Charles Bukowski – "What matters most is how well you walk through the fire" – Black Sparrow Press 1999 

 

 

TOP TEN

Jedes Viertel hat einen
der vormittags um halb elf
ob sonntags, montags oder​
sonstwann
anfängt, sein Auto
zu waschen, bei voll
aufgedrehtem Radio
so dass die ganze Nachbarschaft
das Gedudel anhören muss;
aber das macht nichts
wir wollen doch auf keinen
Fall, dass er sich langweilt
da draußen – und er wird
noch Stunden brauchen.

Einen Bettler oder Besoffenen
würde man wegen Störung der
öffentlichen Ordnung
festnehmen, aber der da
ist ein solider Bürger
und das sind die Stützen
der Gesellschaft.
Für die Sorte wird auch
das Gedudel komponiert.

Angenommen, ich werde zum
Mörder an ihm – kein Gericht
in Amerika würde mir die
mutige Tat vergeben.

Mittlerweile umkreist er
sein Auto mit dem Wasser-
schlauch und einem Eimer
voll schaumigem Sud.

Er ist unangreifbar
und kennt keine Angst.

Sieh ihn dir an. Fast
so reizend anzusehen wie
die piepsende Drossel.
Und mindestens vier Weiber
sind in ihn verliebt, und
er verdient sie alle
und ich hoffe, er kriegt
sie auch alle.

Nur so können wir diesem
Assi beibringen, was
es heißt, zu 
leiden.

 

 

HOT DOG

So oft wir anfingen
kam ihr großer schwarzer
zotteliger Zausel-Köter
mit tropfendem Maul
stinkend und hechelnd und spitz;
er winselte, bettelte
schnaubte durch nasse Nüstern,
stank wie ein durchweichter
Fußabtreter vor einem
Hollywood Motel
und wenn ich mich unterbrach
um ihn aus dem Bett zu treten
sagte sie jedesmal
"Oh! Tu doch Timmy nicht weh!"

Und Timmy rannte neurotisch im
Kreis und schnupperte an seinem
Arsch, und ich machte mich wieder
an die Arbeit, und gerade
wenn ich so die ersten Sternchen
sah, kam dieser Timmy wieder an.

Da ich mich in der Missionars-
stellung befand, war es mir möglich
ihm kräftig was auf die Schnauze
zu geben, aber auch damit
wurde ich ihn nicht los. Mit
Geschnupper und Gesabber stupste
er sich dazwischen, und so
brachten wir es zu Ende,
alle drei.

Sie hatte einen guten Job, unten
am Sunset Boulevard. Das war mehr
als ich von mir sagen konnte.

Und wenn sie morgens zur
Arbeit fuhr, sagte sie mir
ich solle hinten rausgehen
denn ihre Mutter hatte ein
Appartment nach vorne raus
und sollte mich nicht
sehen.

Dann schaute ich jedesmal
den Hund an, und er sah mit
seinen traurigen Augen zu mir
hoch. Wir hatten keine
Geheimnisse voreinander.
Und wussten, dass wir beide
ihre Liebhaber waren.

Und ich musste ihn nur
ansehen, um zu wissen, dass er
sie mehr brauchte als ich.

An jenem letzten Morgen
fuhr ich im hellen Sonnenschein
weg und fühlte mich benebelt
verwirrt, unwirklich
aber trotzdem ganz
in Ordnung. Sie rief mich
noch drei- oder viermal an
doch ich wusste, dass es
aus und vorbei war.

Denn als ich ihm zum Abschied
in die braunen Augen sah, war mir
klar, dass er sie liebte; während
ich nichts weiter wollte als
Sex.

Wenn er ein Mann gewesen wäre
hätte ich sie vielleicht nicht
aufgegeben. Aber zeig mir erst mal
einen Mann mit so schönen
Augen wie dieser Köter.

 

 

DAS QUALMENDE AUTO

Sie halten, direkt vor meinem
Fenster, es sieht aus
als würde das Auto brennen
blauer Qualm aus Motorhaube und Auspuff
Fehlzündungen wie Kanonenschläge
der Wagen bockt wie verrückt
ein Typ steigt aus
O je, sagt er, nimmt einen tiefen
Schluck aus einem Wasserbeutel
und sieht entgeistert das Auto an
der andere Typ steigt aus und
sieht sich das Auto an
O je, sagt er und setzt eine
Whiskyflasche an, dann
reicht er die Flasche seinem Freund
sie stehen beide da und
sehen das Auto an
der eine mit dem Whisky
der andere mit dem Wasserbeutel
sie tragen nicht die üblichen
Hippie-Klamotten sondern echtes
altes Zeug – verblichen,
verschmutzt, ausgefranst
ein Schmetterling segelt
an meinem Fenster vorüber
sie steigen wieder ins Auto
und es bockt los, im 1. Gang,
wie ein Bronco beim Rodeo
sie lachen beide, und der
eine setzt wieder die
Whiskyflasche an…

Der Schmetterling ist fort
und draußen hängt eine Wolke Qualm
12 Meter im Durchmesser.

Das waren die ersten echten
Menschen in Los Angeles
seit 15 Jahren.

 

 

 

 

 

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